zeit

Zeitnehmung

2014 / Acrylkaschierung

Auszüge aus dem Gedächtnisprotokoll.

Alles ist eingerichtet. Ich nehme Platz, atme einmal tief durch. Positioniere die linke Hand am Tisch, öffne mit der rechten Hand den Verschluss der Kamera und greife nach der Uhr.

Ich beginne ruhig und versuche mich nicht zu verspannen. Nach gefühlten zehn Minuten blicke ich das erste Mal wieder auf die Uhr.
Es sind drei Minuten vergangen.

Juckreiz auf der linken Wange. Ich beiße mir ein wenig auf meine Lippen um den Juckreiz mit einem anderen Schmerz zu überlagern und atme dabei tief und langsam ein und aus. Es scheint zu funktionieren. Sollte ich aber niesen müssen, wäre es das aber gewesen.

Die Zeit in ihrer ständigen Präsenz scheint langsamer zu werden oder gar nicht mehr zu vergehen, das war zu erwarten, überrascht mich nun aber trotzdem ein wenig.

Meine Hände werden langsam aber sicher taub und ich habe das Gefühl, sie werden eins mit dem Tisch, oder der Tisch eins mit mir.
Wieder atme ich tief ein und aus, versuche mich zu entspannen. 15 Minuten vorbei.

Nach 20 Minuten setzt ein starker Juckreiz im rechten Ohr ein und bringt mich schnell in arge Bedrängnis. Bin nun tatsächlich kurz davor abbrechen zu müssen. Wieder beiße ich mir in meine Lippen und Wangen, doch diesmal fester als zuvor. Ein leicht verzweifeltes Stöhnen verlässt meinen Körper.
Ich habe mich bestimmt schon etwas bewegt…

Nach einer halben Stunde werde ich immer unruhiger und die Hälfte geschafft zu haben tröstet mich kein bisschen. Im Gegenteil.

Ich verkrampfe meine Zehen immer mehr zu einer lächerlichen Faust und rutsche mit den Füßen langsam aber immer unruhiger hin und her.
Nur nicht die Hände bewegen denke ich mir.

50 Minuten, die Stunde wird sich ausgehen. Ich habe die Finger nun zwischendurch immer wieder ein wenig bewegt. Das Bild meiner reglosen Hände verstörte mich zunehmend. Mein Kopf wird immer schwerer und das Genick versteift sich.

Eine Stunde vorbei, ich schließe den Verschluss der Kamera! Springe vom Sessel auf und muss schreien. Es muss raus. Wie ein Tier komme ich mich vor. Laufe hin und her. Am Tisch hat sich Kondenswasser gebildet. Kleine Tropfen wie ich sie so noch nie auf dem Tisch gesehen habe.
Ein Abbild der Zeit?

Das Projekt drängte sich mir während seiner Umsetzung wahnsinnig auf und ich empfand den gesamten Ablauf als sehr anstrengend aber intensiv.
Der Augenblick dieser Stunde manifestiert sich in dieser Fotografie und kollidiert mit der Gegenzeit, die sich der Betrachter nehmen kann, um sich mit dem Bild auseinander zu setzen.